Och Kapitel 15

German-English

Och-Lexikon

Chapter 16

Kapitel 15

III. Religion der Indianer (209)

Bei den Mexikanern und anderen, die ihre Könige und ordentliche Regierungsform hatten, war früher Götzendienst und Menschenopfer gebräuchlich. Heutzutage sind alle, so weit die Spanier das Land betreten, zum christlichen Glauben bekehrt. Nur einige wenige Schlupfwinkel, wohin sich gottlose Spanier, entlaufene Sklaven, Neger und vom Glauben abgefallene Indianer flüchteten, um nach ihrem Willen zu leben, waren der Ärger der umliegenden Landschaften.

Die in den Wildnissen leben, haben gar keinen Glauben, ja man findet nicht die geringste Spur einer Religion an ihnen, so daß ich, was unseren Theologen für unmöglich vorkommt, es als einen belegbaren und sicheren Satz behaupte, daß ein Mensch seine ganze lange Lebenszeit ohne jegliche Erkenntnis Gottes leben kann. (210) Ich gab mir alle erdenklichen Mühe, einige Erkenntnis Gottes aus ihnen heraus zu locken, aber alles war umsonst. Auf alles antworteten sie: Unquays mat: es ist halt so. Was ist dieses Licht bei Tage, das uns wärmt und die Früchte wachsen läßt? Wie wächst denn der Mais? Die ganze Antwort war bei allen, die ich als Erwachsene zur Taufe angenommen hatte: huquays mat: dies wer weiß. Tamacatum, es ist über uns. Es ist halt so. Ja, wenn es so ist, wer hat denn dieses gemacht? Antwort: wer weiß das? es ist halt so, es wächst halt, das Licht kommt halt alle Tage. Ich war mehr geplagt von Fragen als sie mit Antworten. Alle ihre Gedanken sind nur auf den Erhalt ihres Körpers durch Essen, Trinken, Schlafen und Schutz vor anderen gerichtet. Bei all dem hatten sie etwas Wissen von der Sintflut, weil sie erklärten, daß es eine Zeit gegeben habe, als so viel Regen gefallen sei, daß alle Leute ertrunken waren, und nur ein Junge und ein Mädchen mit einer Trommel wären davongekommen, von welchen sie (alle) abstammten. Sie hatten auch einige Kenntnis vom Teufel, dem sie aber keine Ehre oder Anbetung erwiesen, sondern nur den Bösen nannten; auch verstanden sie etwas von der Unsterblichkeit der Seele, zwar nicht so, als ob diese Lohn oder Strafe erhielt, sondern sie glaubten an die Wanderung der Seelen von einem Körper in den anderen. Deswegen begraben noch heute die Wilden ihre unmündig verstorbenen Kinder mitten auf dem Weg, damit ihre Seele, die das Leben noch nicht genossen hat, in eine vorbeigehende Frau fahre, aufs neue zu leben anfange und wieder geboren werde. Die Alten (die gestorben waren), schleppten sie, damit sie ihnen nachts nicht lästig würden, fort und begruben sie in einem Tal. Sie behaupteten, die Verstorbenen kämen manchmal und beunruhigten sie, als ob sie noch in das Haus gehörten (211). … Ja, um ruhig zu schlafen, stellten sie den Toten etwas zu Essen draußen hin. Die schon lange Zeit christlichen Mütter hatten die Torheit, daß sie ihren begrabenen Kindern heimlich durch ein in die Erde gebohrtes Loch die ausgedrückte Muttermilch einschütteten oder ganze Töpfe voll Weihwasser auf die Gräber gossen.

Wenn sie einmal in der katholischen Religion unterrichtet sind, zeigen sie sich eifrig und werden ganz andere Menschen. Sie gehen gerne in die Kirche und hören geduldig, sollte es auch mehrere Stunden dauern, eine Predigt oder eine Ermahnung an. Sie freuen sich besonders an dem Kirchenschmuck. Alles, was äußerliche Zeremonien, Prozessionen und Singen betrifft, ist ihnen das Angenehmste. Ja, ihre einfältige (naive) Andacht ließ mich oft lachen, weil sie, besonders in Städten, manchmal 100 Statuen der Heiligen oder gemalte Bilder mit sich herumschleppten, mit Blumen schmückten und sehr lange dicke Kerzen ihnen zu Ehren anzündeten. (212) Sie haben die Bilder außerordentlich gern, von denen viele bei ihnen zu Hause hängen. Die Heiligen, die ein Tier bei sich haben, wie St. Jakob zu Pferd, der heilige Martin, der heilige Georg, der heilige Lukas sind ihnen am liebsten. Sie bringen sehr gerne ihre Kinder zur Taufe und sind noch lieber Taufpaten. Ich bemerkte bei ihnen die besondere Eigentümlichkeit, daß sie, um (einem Missionar) zu schmeicheln, die Kinder alle nach seinem Namen benannt haben wollten. Deswegen waren in einem Dorf nichts als Franciscos (sie sprechen es als Parancisco aus, weil sie kein F in ihrer Sprache haben)…. Am Anfang gewährte ich ihnen ihren Willen und gab vierzehn Kindern den Namen Joseph oder Josepha. In einem Jahr starben alle vierzehn Joseph getaufte Kinder, und keines mit einem anderen Namen… Ich machte mir seitdem einen Vorwurf, weiterhin ein Kind Joseph zu taufen. Damit aber die Verwirrung wegen vieler gleicher Namen verhindert würde, mußten alle Kinder einen besonderen Namen eines Heiligen haben.

Ich taufte alle, die sich bekehren wollten, erst nach halbjähriger Probe der Beständigkeit und zweimal am Tag gehörter Lehre genau nach dem mir vorgeschriebenen römischen Rituals. Nach der Taufe kam die Verheiratung, bei der der Neophyt (Neubekehrte) entweder eine Frau nahm, die er mir brachte, oder aus zweien sich eine wählte, mit der er sich trauen ließ. Für die Zurückgewiesene, welche wenige Empfindungen deswegen zeigte, (213) mußte ich sorgen, ihr einen Mann zu finden, was sehr leicht war, weil fast überall bei den Indianern mehr Männer als Frauen gezählt werden und mancher keine Frau finden kann. Die Ursache ist nach meiner Überlegung diese: weil die Eltern ihre Töchter nicht achten und sehr wenig pflegen, folglich sehr viele in der Kindheit sterben. Die Jungen werden mehr gepflegt und geliebt, kriechen und laufen mehr herum und wachsen ganz abgehärtet auf. Die zweite Ursache ist die, daß sie die Mädchen sehr jung verheiraten und viele im ersten Kindbett sterben (verunglücken). Die dritte Ursache ist die harte Arbeit, welche die Frauen tun müssen.

Was die Ehrbarkeit angeht, so machen die Indianer auch die moralischsten Europäer zu Schanden, da sie ihre Töchter aufs sorgfältigste bewachen, damit sie ihre Jungfernschaft nicht verlieren. Sobald sie aber mannbar sind, möchten (die Eltern) gern diese Sorge des Hütens los sein und lassen dem Pater keine Ruhe, bis er ihnen einen Mann besorgt. Sie brachten mir ihre Töchter, die noch ziemlich klein waren und sagten: Pater, ich habe dieses Mädchen lange genug gehütet, ich will nicht immerzu sorgen, jetzt kannst Du ihr einen Mann geben. Ich mußte manchmal Mädchen von 13 Jahren, wenngleich ungern, verheiraten, welche im folgenden Jahr ein Kind zur Welt brachten. Ganz ungern verheiratete ich so junge Mädchen an alte 50- oder 60-jährige Indianer. Anfangs wurde ich betrogen, weil die Mädchen sagten, es sei ihr freier Wille, weil sie von den Eltern durch Schmeicheleien (214) oder Drohungen dazu gezwungen wurden. Später aber befragte ich sie jedesmal, und sie gestanden dann, daß ihr Vater und Mutter ihnen mit Schlägen gedroht hatten. Deswegen verheiratete ich sie nicht mit den von den Eltern Aufgezwungenen, sondern mit jungen Männern, unter denen ich ihnen die Wahl ließ.

[Quite often after a marriage the bride and bridegroom went each to his own house as though neither knew the other. Hence, I had to attempt to bring them together. Truly, many a one repented his marriage, especially among my Pimas. They were so impudent that they sometimes agreed among themselves to exchange wives. They even had the impertinence to request of the father another wedding right at the church door, because of some trouble they may have had.].

Fragen zum Text

1. Was erfährt Och über die hergebrachten Vorstellungen der ‘Pimas’ – und was erfährt er nicht? Könnten Sie es sich vorstellen, daß es noch andere Gründe als Unwissen für die Antwort “Unquays mat” gibt?

2. Was sagt Och über die Seelenvorstellungen der ‘Pimas’?

3. Welche Schwerpunkte setzten die christianisierten ‘Pimas’ in ihrer Ausübung christlicher Praktiken?

4. Welche Brüche mit traditionellen Praktiken der ‘Pimas’ zog eine christliche Taufe nach sich?

Zur Grammatik: Der Konjunktiv der Absicht

Betrachten Sie folgende Beispiele von Absichtsäußerungen aus unserem Lesetext:

KI:

Die Pimas brannten ihre Häuser ab, damit der Tod sie nicht in der früheren Wohnung besuche.(202)

Sie begraben ihre Kinder mitten auf dem Weg, damit ihre Seele in eine vorbeigehende Frau fahre, aufs neue zu leben anfange und wieder geboren werde (210).

KII als Ersatzform des KI:

Die Alten schleppten sie, damit sie ihnen nachts nicht lästig würden, fort und begruben sie in einem Tal.

Der Schiffskaplan traf rechtzeitig ein, um an Bord den Matrosen Messe zu lesen, damit sie gleich darauf an die Arbeit gehen und den Anker lichten könnten. (34)

Och konnte die Frauen kaum dazu bewegen, daß sie sich drei oder vier Tage zu Hause aufhielten. (202)

KII:

…, damit ja nicht eine andere Person an ihrer Statt eingeschifft würde. (29)

Sie gaben ihren Häusern eine andere Gestalt, damit ja der Tod das Haus als ein anderes ansehen sollte. (202)

Niemals habe ich sie dazu bringen können, daß sie die giftigsten Tiere umgebracht hätten. (207)

Nach ‘damit’ und anderen Ausdrücken der Absicht kann ein Konjunktiv stehen, muß aber nicht. Die Beispiele aus unserem Text zeigen, daß ein Konjunktiv II eine größere Distanz des Sprechers oder der Sprecherin zur Handlung ausdrückt als ein Konjunktiv I. Wir können sehen, wie Och in den KII Sätzen seinen Kopf schüttelt und denkt, “Unfaßbar!”

Heute tendiert der Modusgebrauch im Finalsatz (nach Heidolph et al. Grundzüge einer deutschen Grammatik der Modusgebrauch. 1981: 534) nach dem Indikativ. Diese Tendenz sehen wir auch schon bei Och.

Indikativ:

… damit sie nicht mit allen anderen zur Feldarbeit gezwungen werden (191)

… damit sie allein und frei sind (195)

.. damit ihr Diebstahl nicht bekannt wird. (287)

Übung

Vervollständigen Sie die nachfolgenden Sätze. Überlegen Sie dabei, welcher Modus – Konjunktiv I, Konjunktiv II oder der Indikativ – am angemessensten wäre.

1. Die Indianer übten das Schreiben und Lesen, damit … (die Briefe Ochs lesen können)

2.Och zeichnete ihnen Schreinerarbeiten auf Papier vor, damit … (Möbel anfertigen)

3. Damit ja nicht ….. (Tod das Haus als das ihre ansehen)

4.Die Frauen brachten Och dazu, daß … (Seide und kleine Bändchen kommen lassen)

5. Leute wie Bartholomé de las Casas brachten den Papst dazu, daß er (verkünden, daß die Indianer wahre Menschen sind)

6. Och konnte die Indianer nicht dazu bewegen, daß sie (giftige Tiere töten)

Zum Wortschatz: “Es ist halt so!”

Das vor allem im Süddeutschen gebräuchliche Adverb ‘halt’ hat nichts mit ‘anhalten’ zu tun. Es unterstellt, daß es keine andere Erklärung für ein Phänomen gibt, als seine Existenz. Synonym gebraucht werden ‘einfach,’ ‘eben,’ ‘nun einmal’: “Es ist einfach so.”

Übung

Fügen Sie die Satzteile in die richtige Reihenfolge und konjugieren Sie das Verb:

1. Wenn es nicht geht, – du – müssen – sein lassen – halt – es

2.Wir – es – versuchen – halt – müssen.

3. Ich – mögen – gar zu gerne – halt

(Es folgen darauf einige Kapitel mit allgemeiner Information über das Land, hier nicht aufgenommen.)

 

Kapitel 16