Kapitel 6
Abreise
Nach langer Wartezeit, die mit vielen Abenteuern verbunden war, kam eines Tages doch die Zeit der Abreise:
(34) Gleich beim anbrechenden Weihnachtstage wurde durch einen Kanonenschuß von unserem Schiff das zweite Zeichen zum Aufbruch gegeben. Durch diesen Schuß wurden alle vorher aufgenommenen Passagiere aufgefordert, sich sogleich an Bord einzufinden. Die meisten schliefen noch ruhig in Cadiz, konnten es sich unmöglich vorstellen, ja ließen es sich kaum träumen, daß die Reise noch am Weihnachtstag beginnen sollte. Es wurde aber wirklich Ernst daraus. Der Schiffskaplan traf rechtzeitig ein, um an Bord den Matrosen Messe zu lesen, damit sie gleich darauf an die Arbeit gehen und den Anker lichten könnten. Wir warteten unseren Gottesdienst in einem großen Zimmer ab, wo wir alle 42 in 3 Reihen, Bett über Bett gestellt, einquartiert waren und wo wir vorne am Fenster einen kleinen Altar für unseren täglichen Gebrauch eingerichtet hatten… (35) Als der Anker halb gelichtet war, wurde das dritte Zeichen mit einem Kanonenschuß gegeben, der Anker eingezogen, wurden die Segel gesetzt und das Schiff mit dem Steuerruder bewegt. Das Schiff bewegte sich schon wirklich, daher mußten die noch am Land sich befindenden Passagiere Hals über Kopf sich beeilen, die Gelegenheit nicht zu versäumen. Nun ruderten die Herren mit aller Macht in ihren Booten voll mit ihrem Gepäck von allen Seiten auf uns zu und kletterten, wie sie konnten, an Bord hinauf, während ihr Gepäck mit Flaschenzügen hineingezogen wurden. Es waren drei Augustiner-Pater dabei, von denen einer als Provinzial [Provinz-Leiter], der andere als Prior [Verwalter eines Klosters] in ihrem vornehmsten Kloster in Mexiko, der dritte als erster Vorleser gesandt wurden… dazu einige königliche Offiziere, von denen einer in Indien (Mexiko) als Gouverneur, die anderen als Bürgermeister die königlichen Steuern verwalten sollten. Diese Dienste dauern 5 Jahre; die meisten fahren ohne einen Pfennig in der Tasche nach Indien, kommen aber im Verlauf von 5 Jahren als ganz reiche Leute mit 40 bis 50 000 Talern zurück. Sie sagen, sie hätten es sich erworben, andere Leute aber sagen: sie haben es gestohlen; je nachdem, wie es einer versteht, greift er zu, und die armen Indianer werden jämmerlich gerupft [ausgenommen oder bestohlen]. Ein solcher Bürgermeister erstreckt seine Regierungsgewalt manchmal über 100 Stunden weit im Umkreis. Es sind meistens unstudierte Leute und Soldaten ohne Rechtskenntnis. (36) Sie richten und urteilen ganz nach ihrem Gutdünken, denn nur derjenige bekommt bei ihnen Recht, der wichtige silberne [Geld]Stücke bringt [sie besticht].
Zur gleichen Zeit hatten wir ein lustiges Schauspiel, als wir viele andere Boote auf uns zu rudern sahen. Das Schiff war auf beiden Seiten von ihnen umzingelt; es kletterten etwa 50 schlecht gekleidete Leute und zerlumpte Kerle das Schiff hinauf, sprangen an Bord und verkrochen sich in einem Winkel, wo sie nur konnten. Der Kapitän, der diese ungeladenen Gäste durchaus nicht mitnehmen wollte, lief erst auf diese, dann auf jene Seite mit einem dicken Stock, schlug drauf los, wie er nur konnte. Die Kerle hielten Schläge auf dem Kopf, den Schultern, Armen und Händen aus, ohne die erwischten Seile oder Bretter fahren zu lassen. Einige fielen zwar ins Meer, schwammen aber gleich wieder herbei und schwangen sich auf der anderen Seite aufs Schiff, denn indem sie auf einer Seite mit Prügeln abgewiesen wurden, stürmte ein anderer Haufen auf der anderen Seite hoch. Solch einen Lärm, Tumult und solch eine Komödie habe ich mein ganzes Leben noch nicht gesehen, und ich habe vielleicht niemals mehr gelacht als damals. Der Kapitän und einer, der ihm half, waren bei weitem nicht im Stande [in der Lage], dieses Gesindel abzuhalten. Die Matrosen regten sich nicht, sondern warfen ihnen vielmehr Stricke und Werkzeuge zu. In einem Augenblick waren alle diese Kerle verschwunden, und man sah keinen einzigen mehr auf dem Deck. Sie wurden von den Matrosen, die ihnen halfen, versteckt und verkrochen sich (37) wie die Mäuse im Schiffsraum. Gewiß, was die Mäuse in einem Haus sind, das sind diese Burschen auf dem Schiff. Ein Kapitän muß dieses unnütze Gesindel die ganze Reise hindurch ernähren, denn sie treiben mit den [richtigen] Passagieren ein böses Spiel, indem sie den Proviant [das Essen] und gute Wasser verzehren helfen. Man gibt ihnen zwar nichts zu essen oder zu trinken, aber sie ernähren sich doch, zapfen heimlich die Wasserfässer an und trinken mit Strohhalmen oder Röhrchen, ganz wie es ihnen paßt, während sich die normalen Passagiere mit einer gering abgemessenen Portion Wasser begnügen und schmachten [leiden] müssen. Essen stecken ihnen die Matrosen von ihrem Essen und Zwieback zu. In den ersten Tagen halten sie sich alle verborgen, später kriecht einer nach dem anderen hervor, legt Hand an bei der Arbeit [hilft], um das restliche Essen von den Matrosen zu bekommen.
….
(38) Der Wind war uns sehr günstig und führte uns sanft aus dem Hafen. Am ersten Januar 1756 erblickten wir die Kanarieninseln, und am letzten Januar warfen wir glücklich Anker vor San Juan de Puerto Rico, vor dem mexikanischen Meerbusen.
Puerto Rico:
http://www.worldatlas.com/webimage/countrys/namerica/caribb/pr.htm
historical map and others
Fragen zum Text
1. Wann fuhr das Kaufmannsschiff ab? Wie viele Monate hatte Joseph Och also in Puerto de Santa Maria verbracht?
2.Wie viele Jesuiten fuhren auf dem Kaufmannsschiff nach “Indien”?
3. Wie waren sie auf dem Schiff untergebracht?
4.Befanden sich alle Fahrgäste an Bord, als der Anker gelichtet wurde? Warum nicht?
5. Was sagt Och über die Bürgermeister in Mexiko?
6.Warum, meinen Sie, halfen die Matrosen den blinden Passagieren? Was können wir daraus auf die Sozialverhältnisse im Spanien und die Arbeitsbedingungen der Matrosen des 18. Jahrhunderts schließen?
Zur Grammatik
Je mehr …. desto mehr
Je mehr … desto mehr
1. Er liest viele deutsche Bücher. Sein Deutsch wird dadurch immer besser.
2. Wir studieren die deutsche Grammatik. Unsere Deutschkenntnisse steigern sich.
3. Du trainierst sehr hart. Du wirst den Wettkampf gewinnen (eher).
4. Ihr geht oft ins Kino. Ihr kennt euch gut bei Filmen aus.
5. Sie gehen viel schwimmen. Sie schwimmen immer schneller.
6. Wir sind oft in Berlin gewesen. Wir haben diese Stadt gut kennengelernt.
7. Er ging häufig ins Museum. Er verstand immer besser die Kunst von Albrecht Dürer.
8. Ich war immer vorsichtiger gefahren. Ich hatte sehr wenige Strafzettel von der Polizei bekommen.
9. Du hast viel mit Freunden auf Deutsch gesprochen. Du hast Dein Deutsch verbessert.
10. Sie sind immer schneller gelaufen. Sie haben ihr Ziel eher erreicht.
Wiederholung: Indirekte Rede
Geben Sie die folgende Passage in indirekter Rede wieder. Verwenden Sie zur Wiedergabe des Imperfekts den Konjunktiv Ib.
Unter den Passagieren befanden sich auch einige königliche Offiziere, die als Bürgermeister die königlichen Steuern verwalten sollten. Diese Dienste dauern fünf Jahre; die meisten fahren ohne einen Pfennig in der Tasche nach Indien, kommen aber als ganz reiche Leute mit 40 bis 50 000 Talern zurück. Je nachdem wie es einer versteht, greift er zu, und die armen Indianer werden jämmerlich gerupft. Ein solcher Bürgermeister erstreckt seine Regierungsgewalt manchmal über 100 Stunden weit im Umkreis. Es sind meistens unstudierte Leute und Soldaten ohne Rechtskenntnis. Sie richten und urteilen ganz nach ihrem Gutdünken denn nur derjenige bekommt bei ihnen Recht, der wichtige silberne Stücke bringt.
Beispiel:Och schrieb, unter den Passagieren hätten sich auch einige königliche Offiziere befunden.
Modalverben mit Infinitiv
Beispiele aus dem Text:
Hauptsätze:
A. Ein Kapitän muß blinde Passagiere die ganze Reise hindurch ernähren.
B. Der Kapitän wollte diese ungeladenen Gäste nicht mitnehmen.
C. Beim dritten Kanonenschuß bewegte sich das Schiff schon, daher mußten sich die noch am Land befindlichen Passagiere beeilen.
D. Die Personallisten mußten vom Kapitän bei der dortigen Behörde abgeliefert werden.
E. Die Reisenden haben gleich weiterfahren dürfen.
F. Unter diesen Umständen würden die Reisenden weiterfahren wollen.
G. Der Obstkorb wird zusammengestellt werden müssen.
H. Obstkörbe werden zusammengestellt werden müssen.
Nebensätze:
I. Die blinden Passagiere zapfen heimlich die Wasserfässer an, während sich die normalen Passagiere mit weniger Wasser begnügen müssen.
K. Die meisten konnten es sich unmöglich vorstellen, daß die Reise noch am Weihnachtstag beginnen sollte.
L. Der Küchenjunge verdrückte sich, als ein Obstkorb für die Reisenden zusammengestellt werden sollte.
M. Weil die Reisenden nach Genua haben weiterfahren wollen, schickte ihnen der Kommandant einen Korb mit Obst
N. Der Küchenjunge verdrückte sich, als ein Obstkorb für die Reisenden hat zusammengestellt werden sollen.
Modalverben sind: müssen, sollen, dürfen, können, wollen, mögen
Verben ähnlichen Charakters: brauchen, bleiben, scheinen, bekommen, kommen, werden, lassen
Tritt im Präsens oder Imperfekt ein Modalverb zusammen mit einem Vollverb auf, wird das Modalverb konjugiert, und das Vollverb steht im Infinitiv. In Hauptsätzen (Sätze A, B, C, D) steht das konjugierte Modalverb (wie alle konjugierten Verben) in zweiter Position und der Infinitiv des Vollverbs (wie alle infiniten Formen) am Satzende. In Nebensätzen (Sätze E, F, G, H) steht das konjugierte Modalverb am Satzende, nach dem Infinitiv des Vollverbs.
In Zeiten, die ein Hilfsverb bedingen (Perfekt, Plusquamperfekt, Futur), steht im Hauptsatz das konjugierte Hilfsverb in zweiter Position und der Infinitiv des Modalverbs nach dem Infinitiv des Vollverbs am Satzende (Sätze E, F, G, H). Im Nebensatz stehen alle Verben in genau derselben Reihenfolge am Satzende: Hilfsverb, Vollverb, Modalverb (Sätze M und N).
MERKE: Das Perfekt und Plusquamperfekt von Modalverben setzt sich zusammen aus der konjugierten Form von ‘haben’ und dem Infinitiv (nicht dem Partizip Perfekt!) des Modalverbs. Die Sätzen M und N dienen als Beispiele hierfür.
Der Infinitiv des Passivs besteht aus dem Partizip Perfekt des Vollverbs + werden. In dieser Reihenfolge stellen beide sowohl in Haupt- als auch in Nebensätzen eine unzertrennliche Einheit dar. Die Sätze D, I, G, H, L, N bieten Beispiele hierfür.
Die Konjugation unregelmäßiger Modalverben
müssen dürfen können mögen sollen
Ich muß darf kann mag soll
Du mußt darfst kannst magst
Er/sie/es muß darf kann mag
Wir müssen dürfen können mögen
Ihr müßt dürft könnt mögt
Sie müssen dürfen können mögen
Stämme:
Präteritum mußte durfte konnte mochte sollte
Konjunktiv I müsse dürfe könne möge solle
Konjunktiv II müßte dürfte könnte möchte sollte
Part. Perf. gemußt gedurft gekonnt gemocht gesollt
wenn Vollverb
Part. Perf. müssen dürfen können mögen sollen
wenn Modalverb
Übungen
1. Verbinden Sie die nachstehenden Sätze durch eine Konjunktion (z.B. weil, nachdem, bevor, während, obwohl, damit, auch wenn, etc.)
1.1.Die Reisenden blieben nicht zum Essen. Sie wollten sofort nach Genua weiterfahren.
1.2.Die meisten Passagiere schliefen noch ruhig in Cadiz. Sie konnten es sich kaum vorstellen, daß die Reise noch am Weihnachtstag beginnen sollte.
1.3.Der Kapitän versuchte, seine ungeladenen Gäste von Bord zu jagen. Sonst müßte er sie die weite Reise über den Ozean auf Kosten der zahlenden Passagiere ernähren.
1.4.Man würde ihnen nichts zu essen und zu trinken geben. Die blinden Passagiere würden sich ernähren können.
1.5.Och konnte leicht lachen. Er war nicht der Kapitän.
2. Schreiben Sie die folgenden Sätze im Perfekt.
2.1.Die Fässer durften wir nicht mitnehmen.
2.2.Unter ihnen waren einige königliche Offiziere, die als Bürgermeister die königlichen Steuern verwalten sollten.
2.3.Die Passagiere mußten sich an Bord einfinden.
2.4.Sie mußten sich beeilen, um die Gelegenheit nicht zu versäumen.
2.5.Die Matrosen konnten die blinden Passagiere verstecken.
3.a.Der unterstrichene Ausdruck entspricht einem Modalverb. Wie heißt es?
3.b.Schreiben Sie den Satz mit dem Modalverb.
3.1.Der blinde Passagier hatte die Absicht, als reicher Mann nach Spanien zurückzukehren.
3.2.Der Kapitän war nicht in der Lage, alle blinden Passagiere von Bord zu weisen.
3.3.Och hatte den Wunsch, von seinem Orden als Missionar nach Amerika geschickt zu werden.
3.4.Nach einem Abkommen mit dem Papst hatte der spanische König die Pflicht, für den Unterhalt der Missionare aufzukommen.
3.5.Och hat das Spektakel gefallen. (Vorsicht: Hier wird das Modalverb als Vollverb gebraucht!)
4. Bilden Sie aus den nachfolgenden Satzfragmenten Aktiv- oder Passivsätze in der angegebenen Zeit.
4.1.das Schiff – Anker werfen – vor San Juan – können:Imperfekt
4.2.die Boote – mit aller Macht – die Herren – rudern – müssen: Perfekt
4.3.der Anker – einziehen – sollen: Plusquamperfekt
4.4.blinde Passagiere – an Bord kommen – nicht – dürfen: Futur
4.5.die Wasserfässer – füllen – schon – müssen: Präsens
2. Passiv mit Modalverben: Schreiben Sie für die folgenden Befehle Passivsätze mit ‘müssen’. Schreiben Sie die entstandenen Sätze dann mit ‘man.’
5.1.Alle an Bord kommen!
5.2. Segel raffen!
5.3.Anker lichten!
5.4.Steuer um 5 Grad drehen!
5.5.Segel setzen!